KÜNSTLERISCHE PERFORMANCE UND EIN SELBSTPORTRÄT

Der Lichtbildner des  21. Jahrhunderts
Ein Text über meine Arbeit von dem Kurator und Fotografen Mindaugas Kavaliauskas

In André Wagners Serie „Romance of Elements“ trifft im Kontext zeitgenössischer Fotografie Schlichtheit auf Komplexität. Auf den ersten Blick zeigen die Arbeiten beschauliche Naturlandschaften.

Berücksichtigt man jedoch das besondere Zusammenspiel von Landschaft mit dem -Element des Feuers, können wir eine durchscheinende Handlung beobachten, die einer temporären Land Art-Aktion ähnelt, die durch das Medium der Fotografie sichtbar gemacht wurde.

Der -Effekt, mittels Langzeitbelichtung inexistente Formen, Umrisse und Figuren zu zeichnen, wurde in den 1930er Jahren von einem der Väter des fotografischen Konstruktivismus, dem damaligen Bauhaus-Direktor László Moholy-Nagy, beschrieben. 

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André Wagner weist explizit die technischen Möglichkeiten der Nachbearbeitung zurück und entscheidet sich dafür, analoge Fotografien zu schaffen. Seine Fotografien entstehen meist in der Nacht, wenn er selbst, einer Performance gleich, auftritt und mit Feuer im Dunkel zeichnet.

André Wagner bezeichnet seine „Romance of Elements“ als eine Studie zur metaphysischen Energie von Feuer. Es entstehen quasi Selbstporträts, die seine Bewegungen im Raum dokumentieren. Insgesamt haben wir also Aufnahmen von Landschaften, Land Art, künstlerische Performance und ein Selbstporträt.

Diese Ambivalenz von „Romance of Elements“ beinhaltet Konflikte zwischen Mystik und Offensichtlichem, zwischen Einfachheit und tiefer Bedeutung, zwischen -Spiritualität und möglicherweise Kitsch.

Die meisten, wenn nicht sogar alle Bilder aus „Romance of Elements“ laden uns dazu ein, über die Ansichten und Symbole noch unerforschter, ferner und exotischer Welten zu meditieren. Eine Feuerspirale, die die Stufen zu einer heiligen Stätte auf einem Berg in Indien hinaufführt, deutet auf die Suche nach orientalischer Weisheit und spiritueller Perfektion hin.

Lange Spuren der Sterne am Himmel zeigen die verstrichene Zeit an, mit allen Aspekten einer Zeitreise und dem großen Quantum menschlicher Geduld während ein Ziel erreicht wird. In einem anderen Bild erwacht eine felsige Waldlandschaft in Neuseeland im Licht, gerade so, als blicke sie zurück auf die entfernte Maori-Kultur.

Irgendwie ähnelt diese Landschaft einer Aufnahme aus Litauen, in der die Spitze eines gefällten Baumes in Licht getaucht ist und so die Erinnerung an eine der am längsten überlebenden heidnischen Kulturen Europas wiederauferstehen lässt, mit heiligen Wäldern und dem Feuer in seiner beschützenden Heiligkeit.

Solche Interpretationen von „Romance of Elements“ werden all jenen vernünftig erscheinen, die höhere Ebenen suchen. Sie erkennen in den modernen Landschaften eine Mehrdeutigkeit. Ein Anflug von Kitsch lässt sich nicht leugnen, obgleich er von einer sanften Ironie begleitet wird.

 Wenn ich mir das Bild der Baustelle einer deutschen Autobahn ansehe, fühle ich mich hilflos in meinem Interpretationsversuch, mit einer traditionellen Herangehensweise auf die Suche nach Spiritualität zu gehen.

Doch gestehe ich mir ein, dass das Auto heutzutage das Kultobjekt Nummer eins ist und als Abgott der Bewegung zu betrachten ist, als einen „Zeitgeist“, der Deutschland seit über hundert Jahren innewohnt.

 Unter den Fotografieinteressierten gibt es Menschen, die André Wagners Arbeiten nur so lange ansprechen, bis sie wissen, in welcher Form das Feuer verwendet wurde.

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Nachdem sie dies herausgefunden haben, neigen sie dazu zu glauben, man könne, da die Methode nun enthüllt sei, solche Aufnahmen leicht selbst machen. Sie würden sich vermutlich überlegen, die Technik zu verbessern, indem sie digitale Medien anstelle von Mittelformat-Filmen verwendeten, und digitale Zeichnungen anstelle von Performances mit echtem Feuer.

André Wagner sieht Fotografie als etwas ohne die „Rückgängig“-Funktion. Ihm ist es wichtiger authentisch zu sein, als einer von vielen. Er wählt die schwierigeren und garantielosen Pfade zur Verwirklichung seiner Kunstwerke. Langsam, weit weg von zu Hause, oft unsicher, durchstreift er die Nächte mit einer Fackel, während er versucht, die Macht des Lichtes sichtbar zu machen, mögliche Unvollkommenheit akzeptierend und die Elemente des gewählten Ortes lebend.

 Eines der herausragenden Bilder der Serie „Romance of Elements“ ist für mich die Aufnahme des ausgetrockneten Flusses in Neuseeland.

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Der Fotograf hat dabei das Bett des fehlenden Flusses mit einem sich kilometerlang erstreckenden Spiralenstrahl ausgefüllt und so bildlich ein Element durch ein anderes ersetzt.

Es hat ihn viel Mühe und Disziplin gekostet, immer wieder das Flussbett mit der riesigen Fackel hinunter zu tanzen, um eine Feuer-darbietung für das Land, die Luft, den Raum und das fehlende Wasser auszuführen. Es -bedurfte fast einer kompletten Nacht, um die Kilometer für diese Aufnahme zu laufen, bis der nächste Morgen graute und der letzte Tropfen Lampenöl verbraucht war.

Im Deutschen gibt es, im Gegensatz zu vielen anderen Sprachen, eine Lehnübersetzung für das Wort, das im Englischen als photograph (Foto) (phos – Licht; graphos – zeichnen, schreiben) bekannt ist. Das deutsche Wort Lichtbild steht für eben dieses photograph (Foto).

Seltsamerweise ist es heute recht unüblich, einen Fotografen als Lichtbildner zu bezeichnen. Zuerst einmal klingt es altmodisch.

Aber noch wichtiger scheint mir der Fakt, dass es nicht viele Fotografen gibt, die das Feuer als ursprüngliche Quelle der Schöpfung und des Lichts sehen, so wie es einmal war, und damit als essenzielles Werkzeug für die Schaffung eines Fotos, und zwar eines solchen, das sich auf das „Zeichnen mit Licht“ bezieht.

Und genau in diesem Punkt ist André Wagner anders: Unter Millionen von Profi- und Amateurfotografen und routinierten Bilderschießern in Deutschland bleibt er der einzige „Lichtbildner des 21. Jahrhunderts“.

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